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Mittwoch, 9. November 2016

Jeany und der Grinch - oder - Wie ich unsichtbar wurde...


Die Vorweihnachtszeit hat begonnen. Auf dem Gendarmenmarkt steht schon der riesige Weihnachtsbaum, schön beleuchtet mit tausenden von kleinen warm-weissen Lichtern...
Schön sieht er ja aus, fast romantisch und verträumt steht er da um Herzen zu erwärmen und den Startschuss für die beginnende Weihnachtszeit zu geben.

Ich sehe ihn jeden Abend wenn ich aus dem Büro komme und zur U2 laufe um den versuch zu starten vielleicht doch einen Stehplatz in der völlig überfüllten Bahn zu bekommen, den ich natürlich nicht bekomme und dann wieder hoch gehe, zurück auf die Straße von der ich diesen Weihnachtsbaum sehe und der mir nicht das Herz erwärmt, sondern schwer werden lässt.

Weihnachtszeit... das ist die Zeit wo frisch verliebte Paare Hand in Hand über die Weihnachtsmärkte laufen, am besten noch mit Love-Glowes, damit die patsche Händchen keinen Frost bekommen.
Das ist die Zeit wo sie sich dann kitschige Lebkuchenherzen mit noch kitschigeren Sprüchen schenken, um den Hals hängen und stolz präsentieren, als wäre es ein Erkennungszeichen "Schaut alle her, wir sind verliebt und total glücklich".
Was sie natürlich in dem Moment nicht wissen ist, dass sie genau dieses dann pup-trockene Lebkuchenherz beim nächsten Streit den anderen hinter her werfen, nachdem es womöglich Wochen, Monate oder gar Jahre an der Wand über dem Bett hing. Einst Aushängeschild für die totale Romantik, danach Brösel im Treppenhaus.

Ich möchte damit nicht andeuten, dass ich nicht romantisch bin. Ich hatte auch mal so ein Lebkuchenherz und hatte mich gefreut wie ein Kind was einen Lolli geschenkt bekommt, allerdings erlitt eben auch genau dieses Lebkuchenherz den krümeligen Tot als Wurfgeschoss.
Und heute frage ich mich, warum man sich sowas überhaupt an die Wand nagelt. Man sollte es essen solange es noch weich ist. Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen, wird verdaut und wie das dann endet muss ich nicht weiter ausführen.

Jedenfalls ist es Vorweihnachtszeit und dieser stattliche Weihnachtsbaum, der auf mich eine ähnliche Wirkung hat, wie das Auge Saurons, hell und ehrfürchtig leuchtend, hat den Grinch in mir geweckt.
Ich bin alles andere als in Weihnachtsstimmung.
Das Fest der Liebe.
Schön wenn man Liebe hat, ich hab sie nicht und ich frage mich ob ich über Weihnachten nicht im Büro arbeiten kann, anstatt von zu Hause aus. Weihnachten fällt dieses Jahr bei mir sowieso aus, also kann ich auch meinen Schreibtisch besuchen damit er sich nicht vernachlässigt fühlt, einen Egg-Nogg trinken und E-Mails beantworten.

Die Vorweihnachtszeit ist die Zeit wo ich unsichtbar werde. Sonst falle ich ja immer aus dem Rahmen, meist ungewollt, weil ich so ein Quirrl bin und etwas positiv bekloppt.
Über Weihnachtsmärkte bin ich seit Jahren nicht mehr gelaufen. Nicht weil ich es nicht wollte, sondern weil mein ehemaliger Sozialpartner es lästig fand. Das Gedrängel, die vielen Menschen und das "Müssen" und dann hörte man irgendwann auf zu Fragen. Man kannte die Antwort.
Und so verkümmerte mein Geist der Weihnacht, man ging freiwillig Heiligabend arbeiten und wünschte, dass das Geschäft ruhig länger als nur bis 14 uhr geöffnet haben könnte, weil dann müsste man nicht Heim. Denn zu Hause warteten nur die Katzen.
Man schmiss sich in seine Gammel-Klamotten, machte sich einen Wein auf und sah sich dann Harry und Sally an.
Am ersten oder oft auch erst am zweiten Weihnachtsfeiertag wurden dann ziemlich unemotional die Geschenke ausgetauscht, wo man erkannte, ob sich der andere überhaupt Gedanken gemacht hat, was er in Geschenkpapier gewickelt hatte.
Die eine mehr, der andere weniger.
Es lief darauf hinaus, dass das mühsam verpackte Geschenk aufgerissen, sich ein lächeln rausgequält wurde, um sich dann nach ca 5min pseudo Gefreue sich vor den Flimmerkasten zu packen und Stirb langsam zu sehen.
Gegen 22uhr wurde erwähnt man sei müde, machte das Licht aus und Weihnachten war vorbei.

Dies bleibt mir dies Jahr erspart. Zumindest die Sache mit dem Geschenke austauschen und dem pseudo Gefreue.
Sonst bleibt alles beim alten. Die Katzen die auf mich warten, die Gammel-Klamotten, der Wein und Harry und Sally.
Die Tatsache das ich auch dieses Jahr nicht über einen Weihnachtsmarkt laufen werde, weil allein macht es nun mal keinen Spaß. Und da ich unsichtbar geworden bin für meine Umwelt fällt es nicht mal auf.
Ich falle nicht auf.
Ich verschwimme wie ein blinder Fleck auf der Netzhaut meiner Umwelt.
Es ist nicht mal Absicht, wahrscheinlich leuchte ich nur nicht mehr, ich glimme höchstens noch, wie die Glut eines ausgegangenen Lagerfeuers.

Das Unsichtbar sein, so fühlt es sich zumindest an, ist ein ziemlich kühler Zustand.

Ich bin die neue in der Firma die praktisch niemanden kennt, die allein auf der Terrasse steht und eine raucht, die andere durch die Glasfassade beobachtet wie sie miteinander scherzen, die abseits steht wenn zwei Kollegen die sich kennen gemeinsam raus kommen und sich bei einer Kippe unterhalten.
Ich kann mich schlecht einfach dazu stellen und ins Gespräch einsteigen. Das wäre komisch, ich bin Fremd und kann mich doch nicht einfach dazwischen drängeln.
Ich möchte auch niemanden wie eine Klette am Rockzipfel hängen und fragen ob er/sie mit mir eine rauchen geht oder zu Mittag isst, damit ich eben nicht allein essen muss.
Ich bin eben schüchtern und respektvoll und es wäre unhöflich in anderer Leute Gespräche einzusteigen.
Also steh ich eben allein auf der Terrasse, unbemerkt, ungeachtet, ungesehen und esse an meinem Schreibtisch, beantworte die eingehenden E-Mails und falle nicht auf.

Okay, ich habe eben auch Sorge negativ aufzufallen, besonders bei denen die ich nun schon kennengelernt habe und wirklich nett finde. Vor allem möchte ich denen auch nicht auf den Keks gehen und fragen ob jemand mit mir über diesen scheiss Weihnachtsmarkt latscht, damit ich vielleicht mein Leuchten wieder finde und den Grinch in mir vertreiben kann und vielleicht später auch nicht mehr allein auf der Terrasse stehe wie ein Schatten.
Und dann währe dieser wirklich schöne Weihnachtsbaum auf dem Gendarmenmarkt weniger Mordor, sondern einfach nur ein schöner, leuchtender, riesiger Weihnachtsbaum der das Herz erwärmt zu dieser kalten und dunklen Jahreszeit und es wäre wie ein seichtes Lüftchen was die Glut wieder anheizt und auch wenn ich kein Lagerfeuer mehr werde, zumindest ein angenehmes Windlicht.



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